Küsnachter

23.9.99

 

 

«Ruhestörung» für guten Zweck

Für einmal hatte selbst die Kirche nichts einzuwenden, als am Bettag die Post abging.

Quelle: Küsnachter 23.9.99 (Muriel Knecht)


Emel gönnt sich vor ihrem Auftritt eine kleine Pause

Am letzten Sonntag fand im katholischen Kirchgemeindezentrurn von Küsnacht das zweite «Church-Air» statt. Das Thema des «kirchlichen Popevents» war dieses Jahr die Hoffnung. Rund sechs Stunden lang traten verschiedene Künstler aus der ganzen Welt auf, nicht ohne vorher zu erzählen, was Hoffnung für sie persönlich bedeutet. So sagte zum Beispiel der Boxer Stefan Angehrn, dass ihn der Anblick eines Sternenhimmels oder seiner Kinder mit Hoffnung erfülle. Auch Ex-Miss Schweiz Stefanie Berger erzählte, was ihr beim Stichwort «Hoffnung» einfällt: «Als Künstler muss man immer auf Engagements hoffen.»

Musik und Religion

«Am Bettag zu feiern ist eine Gratwanderung», sagte Andrea Bianca, reformierter Pfarrer und Mitorganisator. Trotzdem sieht er darin nichts Aussergewöhnliches. Er erklärt: «Früher hat Jesus Gleichnisse erzählt, heute singt man. Das sind einfach zwei verschiedene Ausdrucksformen von Religion.» Die Grundwerte blieben schliesslich die selben, meint er weiter: Glaube, Liebe und Hoffnung sowie Gerechtigkeit und Toleranz.

Vorwerfen konnte man den Organisatoren und Künstlern wirklich nichts. Die «Ruhestörung» am Bettag war nämlich für einen guten Zweck. Der gesamte Erlös wird dem Sozialdienst des Kinderspitals überreicht.

Preis für Katastrophenhelfer

Bei der Verleihung des «ChurchAir»-Preises 1999 wurde auch anderen Organisationen gedankt, die sich auf der ganzen Welt für die Menschheit einsetzen. Der diesjährige Preis wurde der Schweizer Rettungskette überreicht, die mit ihrem Einsatz im Erbebengebiet der Türkei Erstaunliches geleistet hat. Die Schweizer Rettungskette besteht aus acht verschiedenen Organisationen, die bei einer Katastrophe innert Stunden 'vorort sein können.

Insgesamt war das diesjährige «Church-Air» ein unterhaltsamer und gelungener Anlass, der zeigte, dass auch der Bettag nicht langweilig sein muss.


GANZ NEBENBEI: «Die moderne Kirche»

Unsere Kirche: Verstaubt, konservativ und hoffnungslos hintendrein. Viele Leute denken so, wenn sie auf das Thema «Kirche» angesprochen werden.

Am Wochenende hatten diese in Küsnacht Gelegenheit, ihre Meinung gehörig zu revidieren. «ChurchAir», ein kirchlicher Anlass - zumindest von einem Kirchenvertreter organisiert- der alles andere als «kirchlich» daherkam. Mit Prominenz aus der Schweizer Musik-, Show- und Sportszene zog der Popevent vor allem Jugendliche an - aber auch zahlreiche Erwachsene.

Worin lag der Reiz der Veranstaltung? Sicher einmal im Hintergedanken: Der Erlös aus den verkauften Eintritten fliesst in den Sozialdienst «Kispi». Lobenswert, dass die Kirche für einmal nicht für sich selbst, sondern für ein Kinderspital sammelt.

Nicht weniger wichtig aber die Idee dahinter: Warum soll die Kirche nicht mit den gleichen Mitteln arbeiten wie ein OpenAir-Veranstalter oder wie ein Musiksender a la Swizz, Viva oder MTV? Warum soll Rock, Rap oder Hip-Hop keinen Platz haben in der Kirche?

Der Anlass in Küsnacht hat bewiesen, dass die Kirche durchaus locker und modern daherkommen kann. Vorausgesetzt, jemand hat den Mut, neue Ideen durchzusetzen. Der Leitfaden der Veranstaltung - der Begriff Hoffnung - kann so auch in diesem Sinn angewendet werden: Hoffen wir, dass Kirchenvertreter mehr solche Ideen verwirklichen!

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